Unser erster Fachkongress

Thema: Vereinbarkeit von Beruf & Pflege – Eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung

01.06.2023|Veranstaltungen

Immer mehr Menschen müssen ihren Beruf und eine private Pflegeaufgabe unter einen Hut bringen. Das Landesprogramm in NRW hat dazu einen Fachkongress mit dem Thema „Vereinbarkeit von Beruf & Pflege – Eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ veranstaltet. Im Mittelpunkt der hybriden Veranstaltung stand der Gedanke der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Vereinbarkeit und das Schärfen der jeweiligen Teilverantwortungen in den unterschiedlichen Bereichen. Daraus ergaben sich Überlegungen zur Stärkung von Netzwerken, die pflegende Erwerbstätige unterstützen. Zudem ging es um Möglichkeiten, Unternehmen und insbesondere kleine Betriebe dabei zu unterstützen, ihren Mitarbeitenden die Vereinbarkeit von Job und Sorgeaufgabe zu ermöglichen.

Frau Prof. Martina Hasseler von der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaft führte mit ihrem Impulsvortrag in das Thema ein. Sie machte deutlich, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, da die pflegenden Angehörigen den Großteil der Pflegeverantwortung alleine stemmen. Auf Verwunderung stießen die gezeigten Zahlen: In einer Umfrage gaben 58% der Unternehmen an, bisher keine Maßnahme zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege anzubieten (Eggert at al. 2021).

Die kommunale Verantwortung

Wie Kommunen ihre Teilverantwortung positiv ausfüllen können, konnte Klaus Marschall, Koordinator für Behinderten- und Seniorenbelange, aus dem Kreis Minden-Lübbecke zeigen. Der Kreis hat die Belange der pflegenden Beschäftigten früh auf die Agenda genommen und unterstützt – neben der Vorbildfunktion in der eigenen Kreisverwaltung – auch Unternehmen in der Region dabei, sich pflegefreundlich aufzustellen. Wichtig sei, so Marschall, dass die Pflegeplanung keine reine Bestandsanalyse sei, sondern aktive Handlungen in der kommunalen Verwaltung auslöse.

Hier sehen Sie das Gespräch mit Herrn Marschall, Kreis Minden-Lübbecke.

Pflegevereinbarkeit bei Kleinstunternehmern

Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in Unternehmen zu platzieren, ist oft herausfordernd – ganz besonders bei Kleinstunternehmen, die weniger als neun  Beschäftigte haben. Um sich dieser Gruppe zu nähern, führte das Servicezentrum des Landesprogramms eine Fokusgruppe durch Dr. Sarah Hampel und Adelheid von Spee aus dem Servicezentrum stellten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Pflegevereinbarkeit in Kleinstunternehmen beim Fachkongress erstmals vor. Kleinstunternehmen bevorzugen Stand-By Lösungen, die bei Bedarf abrufbar sind. Dafür brauchen sie ein verlässliches Netzwerk, das aktuelle Informationen zu Pflegevereinbarkeit vorhält. Wichtig sind hier u.a. die Steuerberatung, die Innung oder auch die jeweilige Kammer. Kleinstunternehmer versuchen, durch Koordination, Kooperation und Kompensation individuelle Lösungen für das Personal zu finden.

Gerade auch für KMUs bietet das Servicezentrum, das im Kuratorium Deutsche Altershilfe angesiedelt ist, Angebote zur Beratung und Information an – z. B. über den digitalen „betrieblichen Pflegekoffer“. Zudem gibt es für Teilnehmende am Landesprogramm eine Vernetzungsplattform und die Möglichkeit, Pflege-Guides qualifizieren zu lassen.

Best Practice Beispiele auf der Bühne

Am Nachmittag wurde es praxisnah: Karin Münstermann aus der Firma Bernd Münstermann GmbH und Reiner Klug vom Jobcenter Duisburg stellten vor, wie ihr Unternehmen bzw. ihre Behörde Verantwortung für die Vereinbarkeit übernimmt. Die Praxisbeispiele machten deutlich, dass es oft nur eine offene Tür, eine gute Kommunikation und eine gute Informationsstruktur braucht, um pflegende Beschäftigte in der Erwerbstätigkeit zu halten. Beide berichteten von durchweg positiven Erfahrungen mit der Qualifikation von betrieblichen Pflege-Guides. Durch die Sensibilisierung für das Thema können Mitarbeitende früher nach Lösungen fragen und so länger gesund bleiben.

Das Gespräch mit Frau Münstermann und Herrn Klug können Sie sich hier ansehen.

Die sozialpolitische Ebene

Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Podiumsgespräch zur Frage der Verantwortung für Vereinbarkeit auf sozialpolitischer Ebene. Es diskutierten Dirk Ruiss (Verband der Ersatzkassen e.V. für die Landesverbände der Pflegekassen in NRW), Georg Oberkötter (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW), Dr. Sabine Graf (DGB NRW) und Claudia Dunschen (unternehmer nrw). Frau Dr. Graf plädierte für eine Entlastung pflegender Beschäftigter durch eine Stärkung der sozialen Absicherung: „Kein pflegender Angehöriger sollte die Sorge haben, wegen der Pflege einer nahestehenden Person in Armut zu geraten. Dafür braucht es eine steuerfinanzierte Lohnersatzleistung.“ Dem stimmte Claudia Dunschen, die die Arbeitgeberverbände vertrat, zu und ergänzte: „Die Unternehmen sind engagiert, denn sie wissen, wie wichtig die Vereinbarkeit für die Fachkräftesicherung ist. Schon heute finden sich bedarfsgerechte vielfältige Wege. Wichtig sind flexible Rahmenbedingungen, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Pflege und praxisnahe Lösungen ermöglichen.“

Auch die beiden Fördergeber des zurzeit laufenden Landesprogramms, die Landesverbände der Pflegekassen und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales stehen zu ihrer Teilverantwortung: „Eine Verantwortung für das Thema zu übernehmen, liegt in unserer DNA. Wir setzen uns als Verband stark dafür ein. Die Reform der Pflegeversicherung kann ein Hebel sein, das Thema noch weiter voranzubringen“, sagte Dirk Ruiss. Georg Oberkötter bestätigte dies: „Auch die neue Landesregierung will, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege erleichtern. Unser Landesprogramm hilft, die häusliche Pflege zu stabilisieren und ist ein wichtiger Baustein der „Fachkräfteoffensive NRW“. Das vom Land und den Trägern der Pflegeversicherung geförderte Servicezentrum unterstützt Unternehmen und erwerbstätige pflegende Angehörige dabei sehr wirksam.“

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    • Bianca Heep

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