
Neue Perspektiven auf die Vereinbarkeit
Pflegende Erwerbstätige: Neue Perspektiven auf die Vereinbarkeit
Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und privater Pflegeverantwortung bildet den Schwerpunkt in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Sozialer Fortschritt“ (2-3/2025). Erwerbstätige, die Angehörige pflegen, stehen zunehmend unter Druck – mit gesamtgesellschaftlichen und ökonomischen Folgen.
Dr. Sarah Hampel und Adelheid von Spee, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Servicezentrum des Landesprogramms „Vereinbarkeit Beruf & Pflege NRW“, haben gemeinsam mit Netzwerk-Partnerinnen und Partnern Strukturen analysiert und Vorschläge für praxisnahe Vereinbarkeitslösungen entwickelt. Ein Ergebnis dessen ist nun unter dem Titel „Erwerbstätigkeit pflegender An- und Zugehöriger: Sorgenetzwerke neu gedacht“ im aktuellen Heft (S. 81-206) zu finden. Der dortige Text bildet sowohl den Stand der Forschung als auch Umsetzungsbeispiele ab.
Forschung zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
Im Servicezentrum Vereinbarkeit, das im Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) angesiedelt ist, wird seit rund drei Jahren intensiv zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und privater Pflegeverantwortung geforscht. Zugleich begleitet das Servicezentrum inzwischen knapp 500 Unternehmen und deren Mitarbeitenden dabei, Vereinbarkeitslösungen konkret im jeweiligen Betrieb umzusetzen. Bedarfe und Strukturen werden dabei fortlaufend analysiert.
So ist in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeit und Technik (IAT) zum Beispiel eine Unternehmensbefragung zur Vereinbarkeit durchgeführt worden. Zusammen mit Michaela Evans-Borchers, Silke Völz und Dr. Lena Marie Wirth vom IAT erläutern Adelheid von Spee und Dr. Sarah Hampel in ihrem Beitrag Vereinbarkeitsangebote anhand von Daten aus dieser Unternehmensbefragung.
Drohende Ungleichheiten?
Dabei stellen sie ihren Beitrag unter den fragenden Titel „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege im neuen Verantwortungsmix – mehr Sicherheit oder neue Ungleichheit?“, um ein Bewusstsein für eine möglicherweise drohende Unwucht zu schaffen:
Unternehmen, die zunehmend von Personalengpässen betroffen sind, bieten verstärkt Maßnahmen zur Förderung der Pflegevereinbarkeit an, um die Beschäftigungsfähigkeit der Einzelnen zu stärken und die Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Während die Übernahme von Verantwortung durch Unternehmen begrüßt wird, wird andererseits davor gewarnt, dass neue Dimensionen der Ungleichheit entstehen können, wenn soziale Aufgaben an Unternehmen übertragen werden, ohne gleichzeitig die Infrastrukturen des öffentlichen Dienstes zu stärken.
Darauf aufbauend reflektiert der Artikel Implikationen für sozial-, arbeits- und gesundheitspolitisches Handeln und die Gestaltung.
Modell der Pflegegemeinschaft
In einem weiteren Kapitel beschreibt etwa Prof. Dr. Klie, Kurator des KDA und Leiter AGP Sozialforschung & Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze), das Modell der Pflegegemeinschaft. Die Zunahme von Einpersonenhaushalten bei gleichzeitig erwünschter Erwerbsbeteiligung von Frauen führte zu „neuen Formen der Sozialisierung von Pflege- und Betreuungsaufgaben“. Das Modell der Pflegegemeinschaft erfreue sich dabei großer Beliebtheit. Hier werde insbesondere der Frage nachgegangen, ob und in welchem Sinne Pflegegemeinschaften einen Beitrag zur Vereinbarkeit leisten können.
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Sozialer Fortschritt“ wurde in Gastherausgeberschaft von Michaela Evans-Borchers, Silke Völz und Dr. Lena Marie Wirth, Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule, sowie Prof. Dr. Joachim Lange, Evangelische Hochschule Darmstadt, veröffentlicht.